Mein Favorit: Segeltörns nach Menorca
Ich segle eigentlich fast überall gerne. Wenn ich mich aber für ein Segeltörn-Revier entscheiden muss: dann dort, wo es möglichst warm und exotisch ist. Wo ich auch abends um 11 Uhr noch in das warme Meerwasser springen kann. Mit weiten Sandstränden und Meerwasser in türkisblau. Wenig Menschen an der Küste möchte ich sehen und wenig oder keine Bebauung. Der Segeltörn von Mallorca nach Menorca bietet das alles sozusagen en passant und noch etwas Wichtiges mehr: leichte Erreichbarkeit aus Mitteleuropa.
Wenn ich selbst den Segeltörn skippere, sieht der Mallorca-Menorca-Segeltörn ziemlich genau so aus:
Der Segeltörn Mallorca-Menorca beginnt am Samstag im Osten der Insel Mallorca. Spätabends, wenn alle Mitseglerinnen und Mitsegler angekommen sind, wird zu Abend gegessen und wir schlafen an Bord des Segelschiffes. Am nächsten Tag in der Früh geht es aus dem Hafen raus, wir segeln ein Stück entlang der Küste von Mallorca, verlassen dann den nahen Küstenbereich und kommen ins offene Meer zwischen Mallorca und Menorca. Nach etwa acht bis zehn Stunden haben wir Menorca, die östlichste der Baleareninseln, erreicht und wählen –abhängig vom Wetterbericht – eine der vielen Sandbuchten aus, um zu ankern.
Dieser erste Segeltörn-Schlag von Mallorca und Menorca ist relativ lang. Aus meiner Sicht ist das perfekt, denn mit diesen Stunden lässt man alle Gedanken an Zuhause weit hinter sich und bekommt am offenen Meer zwischen Mallorca und Menorca den Kopf frei. Man hat sich nach dem Segeltörn-Schlag sozusagen seine Sporen verdient und freut sich, den Anker ins türkise Wasser fallen zu lassen.
Danach ist für die Crew Zeit zum Schwimmen und Schnorcheln, während ich üblicherweise schon in die Küche stehe, um das Abendessen zu bereiten (bei unseren Mitsegeltörns ist zwar vorgesehen, dass die Mitseglerinnen und Mitsegler kochen und nicht der Skipper, aber ich persönlich koche gerne. Auch koche ich nicht so grottenschlecht, wie ich aussehe, wie man mir sagt).
Es ist nun Sonntagabend und wir sind erst seit 24 Stunden an Bord der Yacht. Aber wir haben den Hafen und die Küste von Mallorca gesehen, waren lange am offenen Meer zwischen den Balearen-Inseln Mallorca und Menorca, suchten uns einen hübschen Platz zum Ankern, waren bereits im Meer zum Schwimmen und demnächst wird gegessen und und eine Flasche Wein aufgemacht: es ist in diesen 24 Stunden schon sehr viel passiert; und alle Gedanken an Land und an Zuhause sind Geschichte.
Der weitere Segeltörn-Verlauf ist abhängig vom Wetterbericht. Je nach Vorhersage segeln wir mit oder gegen den Uhrzeitersinn um Menorca. Den Wetterbericht und den davon abhängigen Törnverlauf diskutieren wir gemeinsam in der Crew. Wenn es der Wetterbericht zulässt, ist mir persönlich ist die Runde links um Menorca herum lieber, also gegen den Uhrzeigersinn.
Am Montag führt der Segeltörn entlang der Küste und der Steilklippen, dann um das Südkap der Insel und in den riesigen Naturhafen der Inselhauptstadt Mahon. Unterwegs machen wir Badestops sowohl am offenen Meer als auch in einer Ankerbucht.
Die Durchfahrt am der Südspitze von Menorca zwischen der Insel Menorca und der vorgelagerten Insel „Isla del Aire“ ist wirklich ein fantastisches Erlebnis, denn man segelt im flachen Meerwasser bei drei bis fünf Metern über Sandgrund: das Wasser leuchtet in tief- und hellgrün, hellblau und türkis.
Nach dieser Passage geht es noch ein paar Seemeilen weiter in den Naturhafen von Mahon und wir legen im Hafen an.
Die Dienstag-Etappe des Segeltörns führt in mein ganz persönliches Paradies: in das weite Buchtensystem an der Insel Colom bei dem verschlafenen Ort Es Grau. Zuerst die hard facts: Es gibt in diesem ausgedehnten Buchtsystem mehrere Bereiche zum Ankern, daher kann man bei jeder Windrichtung einen idealen Ankerplatz finden. Mein Favorit ist nicht im Bojenfeld, wo üblicherweise die meisten Segelyachten ankern, sondern südlich einer Sandbank in türkisem Wasser mit glasklarer Sicht auf den Grund des Meeres. In diesem weiten Buchtensystem gibt es viele Minibuchten mit kleinen Sandsträndchen; jede dieser klitzekleinen Badebuchten ist mit dem Beiboot erreichbar, um dort ganz alleine in Ruhe abzuchillen.
An Land, hinter dem Dorf Es Grau, findet sich inmitten einer einsamen Hügellandschaft die Lagune „La Albufera“. Eine kleine Wanderung über gepflegte Steige führt zu phantastischen Aussichtspunkten über das Naturschutzgebiet.
Nun zu den soft facts und zu dem Dörfchen Es Grau. Die Ankerbucht, der Küstenstrich und die Lagune La Albufera sind schon Highlights. Aber das Dorf Es Grau ist ein verzauberter Ort. Mag sein, dass meine Subjektivität nicht jeder teilt. Es Grau ist ein Touristendörfchen mit ein paar Restaurants und niederen Apartment-Einfamilienhäuschen. Hotelburgen à la Mallorca gibt es keine. Auch gibt es keine Klamotten- und Klunker-Geschäfte, wie man sie von andern touristischen Orten kennt. Am Minihafen (der nur für ganz kleine Boote geeignet ist) ein légères Fischer-Restaurant mit Meerblick zu den Sandbuchten und den Yachten, das Klientel ist größtenteils spanisch, die Bedienung entspannt, freundlich und vor allem über alle Maßen herzlich und authentisch. Auf der Hafenmole spielen Kinder, manche Fischer haben ihre Angeln ausgeworfen.
Nach dem Abendessen bummeln wir durch die spärlich, aber warm beleuchteten Gässchen zwischen den niederen Häuschen. In den Gärten und auf den Terrassen der Häuser sitzen Freundesgruppen und Familien beim entspannten privaten Dinner, ich grüße über den Zaun und freue mich über die unglaubliche Besinnlichkeit und Ruhe, die das Dorf und mich selbst durchdringt. Das Dörfchen Es Grau ist verzaubert.
Am Mittwoch geht der Segeltörn weiter. Wir segeln zuerst die Ostküste von Menorca entlang und erreichen die Nordküste, den Fjord des Hafen Fornells und ankern vor dem Hafen.
Das Dorf Fornells ist im Vergleich zu Es Grau deutlich touristischer, aber im Vergleich zu den Häfen von Mallorca ein Ort herrlicher Beschaulichkeit mit Chillout-Feeling und Ibiza-Hippie-Touch: ein idealer Ort zum Bummeln und Souvenir-Shoppen, zum Hinsetzen und Longdrink-Bestellen.
Am Donnerstag segeln wir entlang der völlig unbebauten Nordküste weiter in die Drillingsbucht Algaiarens. Ein kleiner schilfbewachsener Fluss kommt vom Landesinneren Menorcas und mündet ins Meer, ein Rundgang entlang des Flusses und einiger Sanddünen führt in einem Bogen von einem zum nächsten Buchtausschnitt. Tagsüber werden die Sandbuchten von Urlaubern besucht. Die Parkplätze liegen weit weg vom Meer, es gibt weder am Strand noch sonst irgendwo sichtbare Infrastruktur, die Badegäste nehmen sich ihre eigenen Sonnenschirme mit und alles ist chillig wie im Paradies. Am Abend, wenn die Tagesgäste peut a peut verschwinden, beginnt meine Zeit. Wenn die Crew möchte, packen wir unser Abendessen, eine kleine Sound Machine und eine Flasche Rotwein ein, fahren mit dem Beiboot zum Ufer und dinieren am Sandstrand unter Sternen bei Chillout-Musik und Kerzenschein. Einen Schuck Rotwein zu viel genommen? Ein nightswim im warmen Wasser macht den Kopf wieder frisch. Wer möchte, steigt bei Heimfahrt nicht ins Beiboot, sondern schwimmt durchs warme Wasser zur nahen Yacht.
Freitag früh heben wir den Anker und segeln zurück nach Mallorca. Die Segeltörn-Etappe dauert den ganzen Tag. In der Mitte der Strecke zwischen Mallorca und Menorca sind beide Inseln aufgrund der Luftfeuchtigkeit meistens nur im Dunst zu sehen und wir sind wieder so herrlich weit weg von allem, wir sind frei von Land, die Gedanken haben Luft und Raum. Nach einigen Stunden auf See nähere ich mich dennoch gerne an Mallorca an, fahre in unseren Heimathafen und bin zuhause.
Bisher machte ich geschätzte 15 Segeltörns von Mallorca nach Menorca. Jedes Mal ist der Segeltörn ein fantastisches Erlebnis. Jedes Mal ändern sich Details, ich lerne dazu, entdecke Neues oder verstehe Altes neu, denn ich sehe auch jedes Mal mit älteren Augen und wohl weiterem Herzen. Menorca ist einer der Hotspots meines Lebens und ich verlasse die Insel im Herzen nie.